Predigt zur Jahreslosung 2023 08.01.2023
Predigt über die Jahreslosung 2023
Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen.
Liebe Gemeinde!
Ein Leitwort für das ganze Jahr soll die Jahreslosung sein, die für jedes Jahr neu ausgegeben wird.
Die Jahreslosung ist eine Wahl der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen. Eine neue Jahreslosung wird jedes Jahr seit 1934 in einem aufwendigen Prozess von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen ausgewählt. „Du bist ein Gott, der mich sieht“, so lautet die Jahreslosung für 2023.
In der Jahreslosung 2023 geht es um Ansehen und angesehen Sein.
Der Satz steht in der Geschichte von Hagar. Eine berührende Geschichte. Ich werde sie Ihnen kurz erzählen.
Hagar ist die Magd von Sara, Abrahams Frau. Sara kommt auf die verzweifelte Idee, Hagar ihrem Mann als Zweitfrau zu empfehlen, da sie selbst kein Kind bekommen kann. Als Leihmutter sozusagen. Abraham willigt ein und Hagar wird schwanger.
Es kommt, wie es kommen muss: Hagar wird gegenüber ihrer Herrin hochmütig und sieht auf sie herab - was Sara natürlich verletzt und kränkt. Da sie aber - Abrahams Frau - am längeren Hebel sitzt, demütigt sie wiederum die Magd. Bis Hagar es nicht mehr aushält und in die Wüste flieht.
Zwei Frauen, die sich nach Ansehen sehnen - aber nur aufeinander herabsehen können. Welche Tragik!
Hagar flieht also in der Wüste. Sie findet eine Quelle am Weg - und dort wird sie gefunden. Vom Engel des Herrn. Der redet sie an: „Hagar, Saras Magd, wo kommst du her und wo willst du hin?“
Hagar erzählt ihre Geschichte. Der Engel hört zu und schickt sie dann wieder zurück in ihre schlimme Situation bei Abraham und Sara. Aber nicht ohne eine Perspektive: Er verheißt ihr, dass das Kind in ihrem Leib ein Sohn werden und viele Nachkommen haben wird. Er soll Ismael heißen, das bedeutet: Gott erhört. Denn, sagt der Engel: „Gott hat dein Elend erhört.“
Hagar fühlt sich angesehen. Angesehen von Gott. Und bekommt dadurch Kraft und Mut, ihren Weg weiterzugehen.
„Und sie nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete: Du bist ein Gott der mich sieht.“ So wird die ägyptische Magd Hagar zur ersten Namensgeberin Gottes: „El-Roi“ (im Hebräischen), auf Deutsch: „Gott-sieht-nach-mir“.
Liebe Gemeinde, die Jahreslosung 2023 ist also ein Name. Der Name Gottes: Du bist ein Gott, der mich sieht.
Ansehen, gesehen, wertgeschätzt werden - das ist ein Grundbedürfnis der menschlichen Seele. Wir brauchen das Gefühl, geliebt zu sein, geborgen und akzeptiert. Wir brauchen als Menschen ein Gegenüber, das uns liebevoll und wertschätzend ansieht. Ich möchte gesehen werden. Als Mensch, so wie ich bin. Wenn mir etwas gut gelungen ist und ich erfolgreich war. Und wenn es mir elend geht - aus welchen Gründen auch immer.
Von Anbeginn an will Gott uns ein Gegenüber sein, das uns sieht und Ansehen schenkt. Dieses Grundbedürfnis will er höchst selbst erfüllen. Das ist sein Wesen, seine Menschen zu sehen. Sie zu lieben. In Beziehung mit uns zu kommen.
Die Geschichte von Hagar zeigt es uns. Und das Spannende finde ich, dass zwischen Hagar und Gott solch eine Beziehung entsteht. Sie nennt Gott „Du“. Du bist ein Gott, der mich sieht.
Hagar erfährt Gottes Ansehen durch den Engel, der zu ihr in die Wüste kommt.
Das finde ich einen ganz wichtigen Aspekt in dieser Geschichte. Denn es steht ja nun die Frage im Raum, wie wir Menschen Gottes Ansehen ganz konkret erfahren können. Wir kriegen wir das mit, dass Gott uns sieht, ansieht, uns sein Ansehen schenkt?
Wir können es hören in seinem Wort. So wie heute im Gottesdienst. Das ist gut. Und deswegen feiern wir ja unter anderem Gottesdienst.
Wir können es aber auch ganz konkret spüren durch Engel! Das war bei Hagar so und genauso ist es bis heute. Menschen, die mich sehen, ansehen, mir Ansehen schenken, können zu Engeln werden. Durch sie kann ich Gott erfahren als „der, der-mich-sieht“.
Liebe Gemeinde,
ich finde, die Jahreslosung ist ein schöner Wahlspruch, ein gutes Motto für dieses Jahr!
Vergewisserung, dass Gott uns sieht, mit unserem Glück oder in unserem Elend.
Ermutigung, anderen Menschen Ansehen zu schenken und so selbst zu Gottesboten zu werden.
Und zu erleben, wie bereichernd es ist, wenn Gott selbst mich wiederum durch die Augen jenes anderen Menschen ansieht.
Und einen solchen Blick haben in diesen Zeiten so viele Menschen nötig.
Ich denke an die Frauen, die mit ihren Kindern aus den umkämpften Gebieten der Ukraine fliehen. Sie kommen oft nur mit einer Tasche und ohne Sprachkenntnisse bei uns an.
Ich denke an die Frauen im Iran, die seit Wochen auf die Straße gehen. Sie riskieren für die Menschenrechte ihr Menschenleben.
Ich denke an die Frauen und Männer in Kliniken und in den Pflegestationen. Seit Monaten tun sie über alle Krankheitswellen und Feiertage hinweg Dienst - oft am Rand der eigenen Erschöpfung. Sie alle haben einen besonderen Blick mehr als verdient und so bitter nötig.
Für 2023 wünsche ich mir, dass wir etwas von diesem göttlichen Blick in die Welt tragen. Ein Blick der sagt: Ich sehe Dich, ich interessiere mich für Dich. Ich weiß, dass Du wertvoll und wichtig bist.
Und ich wünsche mir, dass wir uns ansehen lassen von Gott - so wie wir sind: mit allem, was uns ausmacht.
Amen.
Predigt vom 23.Oktober 2022 - Jubiläumskonfirmation
Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen.
Liebe Gemeinde,
liebe Jubiläums-Konfirmanden und Konfirmandinnen!
Gold, Diamanten. Eisen. Gnaden oder Platin. Je älter man wird, desto edler werden die Begriffe. Ja, bis auf Eisen vielleicht. Aber ich glaube, dass Eisen es in der Liste der Jubiläen soweit gebracht hat, liegt daran, dass es als so hart und beständig gilt.
„Je älter wir werden, desto wertvoller werden wir“, habe ich letztens gehört. Das hat sich mir sofort nicht ganz erschlossen.
Eher: „Je älter wir werden, um so kostenintensiver, teurer werden wir.“ Wir werden für die Finanzierung unseres Gesundheitswesens einfach zu alt. Wir beziehen zu lange Rente, als dass es unser Sozialsystem auf Dauer trage könnte.
Das Alter wird gesamtgesellschaftlich zum Problem.
Wie ist das bei Ihnen? Geht es Ihnen so, dass Sie sich wertvoller fühlen mit zunehmenden Alter?
Mit dem Alter kommt die Weisheit. Sagt man.
Älteren Menschen begegnet man mit Respekt. Sagt man.
Wie ist das so bei Ihnen?
Haben Sie das Gefühl, dass Sie immer wertvoller werden? Oder dass man Ihnen mit immer mehr Wertschätzung begegnet, je älter Sie werden?
Neulich hat jemand zu mir gesagt: „Älterwerden ist nichts für Feiglinge.“ Und meinte natürlich, dass das mit dem „immer wertvoller werden“ vielleicht das eine ist. Dass das Älterwerden aber auch eine große Aufgabe ist.
Wie ist das, wenn man aufhört zu arbeiten? Und man die Hände angeblich in den Schoß legen kann?
Und wenn die Kinder groß sind? Und einen nicht mehr brauchen? Oder wenn auf den eigenen Körper kein Verlass mehr ist? Wenn man krank ist? Oder Schmerzen hat?
Wie ist das?
Das kann schon am eigenen Bild kratzen. Und am Selbstwertgefühl nagen.
Wofür bin ich denn noch da, wenn ich dies nicht mehr kann? Oder das nicht mehr leiste? Wenn ich gar jemandem zur Last falle?
Das ist schwer. Je älter man wird, desto wertvoller werden wir? Hmh, viele Menschen erzählen mir oft eher vom Gegenteil. Sie erzählen eben eher: „Älterwerden ist nichts für Feiglinge.“
In der Bibel hängt der Wert eines Menschen übrigens nicht vom Alter ab. Man wird mit dem Alter nicht wertvoller. Aber man verliert mit den Jahren auch nicht an Wert. Auch dann nicht, wenn man krank ist. Oder bestimmte Dinge nicht mehr kann.
In Psalm 8 heißt es: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“
Und gekrönt ist jedes Haupt. Jetzt nicht mit Diamanten oder Platin oder Kronjuwelen. Aber mit Ehre und Herrlichkeit. In der Bibel ist jeder Mensch wertvoll. Egal ob jung oder alt. Ob er mehr oder weniger leistet. Oder ob er auf Hilfe angewiesen ist. Du bist mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt und nur wenig geringer als Gott. Auch dann, wenn du krank bist. Oder dein Körper dich einschränkt. Und auch dann, wenn du anderen zur Last fällst.
Ich weiß. Ich habe gut reden. Ich bin noch nicht im Rentenalter, aber auch nicht so weit davon entfernt.
Und da kann man natürlich leichter sagen: Fühl dich wertvoll und mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Vielleicht sagen Sie: Komm du erst mal in unser Alter, dann reden wir weiter. Und in der Tat: Ich weiß nicht, ob ich das selber könnte. Mich noch mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt fühlen, wenn ich dauerhaft krank werde. Oder wenn ich aufhöre zu arbeiten und das Gefühl habe: Ich werde nicht mehr gebraucht. Ich weiß nicht, ob ich’s könnte.
Eigentlich bin ich mir sicher, dass es mir schwerfallen wird. Meine Krankheiten haben mir jetzt schon gezeigt, wie eingeschränkt das Leben werden kann. Wie wenig da von Ehre und Herrlichkeit zu spüren ist.
Mir geht das immer wieder mal durch den Kopf, wenn ich nachts mal nicht schlafen kann: 60 Jahre bist du jetzt, wie viel Jahre hast du wohl noch vor dir - bei einigermaßen guter Gesundheit vor allem? Wann ereilt auch dich die Diagnose, vor der wir alle so Angst haben. Das Alter macht da eben anfälliger. Von Mose wird erzählt, dass seine Augen nicht dunkel geworden waren und seine Kraft nicht verfallen war bis ins hohe Alter. Nur wenige Menschen können ihr Leben in bis zuletzt ungebrochener Kraft zu Ende führen. Für die meisten jedoch kommen früher oder später die Jahre, von denen sie mit einem Wort der Bibel sagen müssen: Sie gefallen mir nicht.
Jahre, in denen die Kräfte abnehmen und die Zuverlässigkeit der Augen und des Gehörs nachlässt. Jahre, in denen die Nächte lang werden und der Atem kurz, der Rollator zum treuesten, wenn auch oft ungeliebten Gefährten wird.
Jahre, in denen die Elterngeneration dahingegangen ist, die Reihen der Altersgenossen sich mehr und mehr lichten.
Bei dem ganzen Älterwerden muss ich an früher denken, wo ich gar nicht schnell genug älter werden konnte. Je älter man wurde, umso mehr durfte man. Da war älter werden auch immer ein Stück mehr gewonnene Freiheit. Und ich muss an ein Gedicht von Wilhelm Busch denken. Vielleicht kennen Sie es ja.
Es heißt: Das große Glück klein zu sein.
Das große Glück, noch klein zu sein
Das große Glück, noch klein zu sein,
sieht mancher Mensch als Kind nicht ein
und möchte, dass er ungefähr
so 16 oder 17 wär.
Doch schon mit 18 denkt er halt,
wer über 20 ist, ist alt.
Kaum ist die 20 knapp geschafft,
erscheint die 40 greisenhaft.
Und dann die 40, welche Wende,
die 50 gilt beinahe als Ende.
Doch nach der 50, peu à peu,
schraubt man das Ende in die Höh.
Die 60 ist noch ganz passabel
und erst die 70 miserabel.
Mit 70 aber hofft man still:
Ich werde 80, so Gott will.
Und wer die 80 überlebt,
zielstrebig auf die 90 geht.
Dort angelangt, zählt er geschwind
die Leute, die noch älter sind.
Wir feiern heute Goldene, Diamantene, Eiserne Konfirmation. Wir schmücken Sie sozusagen mit Edelsteinen und Edelmetall.
Je älter wir werden, desto wertvoller werden wir auch. Zumindest in dieser Hinsicht.
Und ich wünsche Ihnen, dass Sie auch dann, wenn das Älterwerden kein Kinderspiel mehr ist, dass Sie dann spüren, dass Sie mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt sind. Und auch mit Silber im Haar und Gold in den Zähnen. Mit Porzellan in der Hüfte und Blei in den Knochen, dass sie sich auch dann immer noch gekrönt fühlen, gekrönt von Gott.
Gott, der in der Taufe sein „Ja“ zu Ihnen gesagt hat. Und zu dem Sie bei Ihrer Konfirmation vor50, 60 oder65 Jahren auch „Ja“ gesagt haben.
Möge Gott Ihnen neben allem anderen, was Sie zum Leben brauchen und sich wünschen, auch weiter einen festen Glauben schenken, der Sie trägt und stärkt in Ihrem Leben, egal was noch kommt.
Das wünsche ich Ihnen, das wünschen wir alle Ihnen heute an diesem Ihrem Festtag.
Mögen Sie behütet durchs Leben gehen mit Gott an Ihrer Seite.
Amen.